Mit dieser Zusammenstellung wollen das European Prison Litigation Network, seine europaweiten Mitglieder und Partner nationale Anwälte und zivilgesellschaftliche Organisationen über die wichtigsten rechtlichen Entwicklungen im Bereich des Strafvollzugs in Europa informieren.
Die Übersicht umfasst 14 Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie die Ukraine, Moldau und Russland.
INHALT >> GESUNDHEIT, LGBTQIA+, MATERIELLE HAFTBEZIEHUNGEN, STRAFRECHT, PRIVAT- UND FAMILIENLEBEN, VERFAHRENSRECHTE, RELIGION, SICHERHEIT, STRAFMAßANPASSUNG, ÜBERWACHUNG, FOLTER
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GESUNDHEIT
In Belgien kommt ein neuer Bericht der Föderalen Gleichstellungsstelle (UNIA) und des Nationalen Präventionsmechanismus’ für Gefängnisse zu dem Schluss, dass trotz langjähriger Berichte nationaler und internationaler Stellen weiterhin Mängel bei der psychischen Gesundheitsversorgung in Gefängnissen bestehen, und gibt gezielte Empfehlungen ab.
In Polen betonte der Menschenrechtsbeauftragte die Notwendigkeit, das Verfahren zur Unterrichtung der Angehörigen von Gefangenen über eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustands zu ändern, da die derzeitigen Vorschriften dazu führen können, dass Angehörige keinen Zugang zu Informationen erhalten, wenn der Gefangene aufgrund seines Gesundheitszustands nicht in der Lage ist, seine Zustimmung zu erteilen.
LGBTQIA+
In Ungarn macht ein Hungerstreik eines nicht-binären Gefangenen, der in längerer Isolationshaft sitzt, auf Mängel bei der Unterbringung und Behandlung von LGBTIQA+-Häftlingen aufmerksam.
MATERIELLE HAFTBEZIEHUNGEN
In Frankreich hob das Oberste Verwaltungsgericht eine Entscheidung des Justizministeriums teilweise auf, mit der ein generelles Verbot „spielerischer oder provokativer” Aktivitäten in Gefängnissen eingeführt worden war. Die Entscheidung hatte zur Streichung oder Aussetzung von über 160 Aktivitäten in mindestens 75 Gefängnissen geführt.
In Deutschland entschied ein Gericht, dass die Streichung einer Vergünstigung im Zusammenhang mit den Haftbedingungen einer zwingenden Begründung bedarf. Der Fall betraf eine Person, die in einer forensischen Psychiatrie von einem Einzelzimmer in ein Doppelzimmer verlegt worden war. Da das Verfahrensrecht für die Unterbringung in forensischen Psychiatrien durch das Bundesgefängnisgesetz geregelt ist, ist das Urteil auch für den Strafvollzug relevant.
Auch in Deutschland wies ein Gericht eine Gefängnisverwaltungsentscheidung zurück, die vorsah, die Öffnungszeiten der Zellentüren aufgrund von Personalmangel zu verkürzen, und betonte, dass es in der Verantwortung des Gefängnisses liege, seinen Personalbedarf entsprechend zu planen.
STRAFRECHT
In der Tschechischen Republik verkürzt eine umfassende Strafrechtsreform die Dauer der Strafen für bestimmte Straftaten, erleichtert den Zugang zu bedingter Entlassung und führt zusätzliche Alternativen zur Freiheitsstrafe ein. Eines der erklärten Ziele der Reform ist die Verringerung der Gefängnispopulation.
In Ungarn verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das die Strafen für Drogendelikte verschärft und die Bewährung für Wiederholungstäter einschränkt. Es gibt Bedenken, dass die ausschließliche Bekämpfung von Drogendelikten durch Strafverfolgung zu einem Anstieg der Gefängnispopulation führen könnte, ohne den Drogenkonsum wesentlich zu reduzieren.
In Italien wurden im Rahmen einer Strafrechtsreform neue Straftatbestände und härtere Strafen eingeführt, darunter für „Gefängnisaufstände“, und der Schutz für schwangere Frauen und Mütter in Haft eingeschränkt. Die Reform wurde wegen der Verschärfung der Überbelegung und ihrer verfassungsrechtlich fragwürdigen Verabschiedung vielfach kritisiert.
PRIVAT- UND FAMILIENLEBEN
In Ungarn haben unangekündigte Verlegungen in ein neu erbautes Gefängnis den Zugang der Gefangenen zu Korrespondenz und Besuchen erschwert.
In Italien hat das Justizministerium den lokalen Gefängnisverwaltungen Richtlinien zur Umsetzung des Rechts der Häftlinge auf Intimbesuche erteilt, das vom Verfassungsgericht im Januar 2024 anerkannt wurde.
VERFAHRENSRECHTE
In Belgien hat ein Gericht den Staat dazu verurteilt, den Entscheidungen der Beschwerdekommissionen in Bezug auf Sicherheitsmaßnahmen nachzukommen, die er zuvor ignoriert hatte. Dieses Urteil unterstreicht den besorgniserregenden Trend, die kürzlich eingeführten Beschwerdemechanismen zu untergraben, was eine Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit innerhalb des Strafvollzugssystems darstellt.
In Bulgarien haben Gerichte uneinheitliche Entschädigungsbeträge für Rechtsverletzungen aufgrund unzureichender Haftbedingungen zugesprochen.
In Deutschland entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Abschiebung eines in Untersuchungshaft befindlichen Gefangenen das Bewährungsverfahren nicht beendet, da die Unterbringung in Untersuchungshaft einen erheblichen Eingriff in das Recht auf Freiheit darstellt.
Auch in Deutschland entschied ein Gericht, dass Gefangene keinen Anspruch auf eine Empfangsbestätigung für schriftliche Anträge an das Gefängnispersonal haben, und urteilte gleichzeitig, dass es in der Verantwortung der Gefangenen liegt, den Nachweis zu erbringen, dass ein Antrag gestellt wurde.
In Polen hat die Helsinki-Stiftung für Menschenrechte den Justizminister aufgefordert, dafür zu sorgen, dass alle normativen Akte des Strafvollzugsdienstes offiziell veröffentlicht werden, und betont, dass eine solche Veröffentlichung für Rechtssicherheit und Rechenschaftspflicht unerlässlich ist.
In Portugal entschied ein Gericht, dass ein Richter, der an der Urteilsverkündung beteiligt war, auch den Antrag eines Gefangenen auf vorzeitige Entlassung prüfen darf.
Auch in Portugal entschied ein Berufungsgericht, dass es nicht befugt sei, eine Entscheidung der Strafvollstreckungskammer über die Ablehnung eines Hafturlaubs zu überprüfen, da solche Entscheidungen mündlich verkündet werden. Diese Entscheidung widerspricht der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichts, das das Recht der Gefangenen auf Berufung gegen solche Entscheidungen anerkennt.
Schließlich entschied ein Berufungsgericht in Portugal, dass Entscheidungen von Strafvollstreckungskammern über Beschwerden gegen Disziplinarmaßnahmen, die von Gefängnisdirektoren verhängt wurden, endgültig sind und nicht angefochten werden können.
RELIGION
In Spanien hat die katalanische Regierung eine Informationsbroschüre für Gefangene veröffentlicht, um ihnen klare Hinweise zu geben, wie sie ihr Recht auf Religionsfreiheit ausüben können.
SICHERHEIT
In Frankreich wurde ein Gesetz verabschiedet, das ein besonders strenges Haftregime für Gefangene vorsieht, die wegen Straftaten im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität verdächtigt oder verurteilt sind.
In Deutschland hat ein Gericht entschieden, dass Strafvollstreckungskammern uneingeschränkt befugt sind, die Notwendigkeit der Anbringung von Fußfesseln bei Gefangenen, denen unter Aufsicht Hafturlaub gewährt wurde, zu überprüfen.
In Litauen wurden neue Spezialabteilungen für Häftlinge eingerichtet, die als stärker gefährdet für psychische und physische Gewalt eingestuft werden.
STRAFANPASSUNG
In Österreich verabschiedete das Parlament Änderungen des Strafvollzugsgesetzes, die den Zugang von Gefangenen zur bedingten Entlassung erweitern und die Kriterien für die Gewährung von Hausarrest unter elektronischer Überwachung ausweiten. Die Änderungen zielen darauf ab, den Druck auf den Staatshaushalt zu verringern und die starke Überbelegung der Gefängnisse zu mildern.
In Litauen hat die Strafvollzugsbehörde eine zweite Spezialeinheit eingerichtet, die sich der Vorbereitung von rückfallgefährdeten Häftlingen auf die bedingte Entlassung widmet.
ÜBERWACHUNG
In Polen hat der Menschenrechtsbeauftragte dem Generaldirektor der Strafvollzugsbehörde eine formelle Mitteilung übermittelt, in der er empfiehlt, in Fällen, in denen Gefangene in überwachten Zellen untergebracht werden, individuelle Verwaltungsentscheidungen zu treffen, da dies eine gerichtliche Überprüfung solcher Maßnahmen ermöglichen würde.
FOLTER
За координації Юга де Сюрмейна та Беранжера Домінічі
Перекладено Софією Парасюк
Ein besonderer Dank geht an unsere Mitglieder und assoziierten Partner für die gemeinsame Erarbeitung dieser Übersicht!
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